Herzlich willkommen auf meinem Herzräume Blog.
Gerne teile ich Schönes und Wertvolles aus meinem Unterwegssein,
Zugefallenes und Entdecktes aus diesen Tagen;
lade ein zu besonderen Orten und Menschen, Büchern und Heiligen Schriften.
Elisabeth Schwendinger
17. April 2021
verwundert lese ich dieses Wort, ohne Kommentar, gepostet von M. in Wien.
Oft stellt er Bilder ins Netz, untermalt mit Musik aus seiner Heimat Syrien oder arabische Texte, die ich nicht entziffern kann.
Manchmal filmt er einsame Wege oder Plätze, spielt auf seiner Oud, singt leise dazu und lässt die Kamera auf seinen Saiten verweilen. Oft ist nur seine Tasse zu sehen, arabischer Kaffee, der an Kardamom und Sommerwärme erinnert.
M. musste flüchten, studierte damals in Damaskus wo er mit seinen Eltern und Geschwistern lebte.
Nun sind einige Jahre vergangen. Er hat unsere Sprache gelernt, Arbeit gesucht, weiter mit seiner Oud Musik gemacht. Er wohnt allein. Seine Bilder bleiben still und einsam.
Mir tun sie oft weh.
Ich weiß nicht, wieviele Freunde er in Wien gefunden hat.
NOSTALGIE ist schwer, schreibt er in seinen Morgen. Ich versuche zu verstehen, dieses abgegriffene Wort, das mir nicht zu passen schien. Erstaunt lese ich dann die Herkunft des sehnsuchtsvollen Begriffs aus dem Griechischen. Er ist aus Nostos, der Rück- und Heimkehr und algos, dem Schmerz, zusammengefügt.
Nostalgie - wenn das warme, schöne Zuhause, das Zusammensein mit den Liebsten verloren gegangen ist…
Im Hier und Jetzt das Leben neu gestalten. Die riesige Herausforderung.
»Wir können ohne Zusammen nicht sein« diesen Satz von Jean-Luc Nancy habe ich in einem Artikel von Sabrina Dittus gelesen.
Er begleitet mich in diese Tage.
Aschermittwoch 2021
Wieder haben wir das Aschenkreuz in unsere Hände gelegt,
unseren Namen gehört und daran erinnert, wer wir sind.
Bei den Kindern der Volksschule haben wir vor vielen Jahren damit begonnen,
die Fastenzeit mit einem erneuerten Ritual zu beginnen. Jedes Kind sollte es
hören: »Denk daran, du hast eine große Heilige Kraft in dir.« Die Asche als Zeichen, dass aus Altem Neues darunter wachsen kann.
Die alte Tradition der Kirche, den Gläubigen das »Aus Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück« am Beginn der Fastenzeit auf die Stirn zu zeichnen, war Generationen vor uns auf und in den Leib geschrieben, hat uns mit fast drohender Gebärde die winzig kleine Zeitspanne unseres Menschenlebens vor Augen gestellt und dem Gebot des Fastens noch mehr Dringlichkeit verliehen. Ohne dieses Umkehren würden wir Gott nicht finden, ihm am Ende nicht gerecht werden können.
Verzicht auf alles, was gut ist, den Sinnen bekommt. Verzicht auf feines Essen und Trinken, Lust und Freude. Weglassen, was hindert, für Gott da zu sein. So haben es unsere Älteren noch gelernt.
Die Gebote und Verbote von Religionen, entstanden in Jahrtausenden, haben Menschenseelen oft verkümmern lassen und zu Tode gebracht und tun es an vielen Orten noch immer. Umso notwendiger, unsere religiösen Konstrukte zu hinterfragen, zu erkennen, worin unser Glaube gründet, wie er uns wieder gut tun und hilfreich sein kann.
So möchte ich auch in der Liturgie eine Verkündigung erfahren, die sich einer verstehbaren Sprache bedient, die mich in meiner Lebenswirklichkeit abholt und anspricht.
Der Staub und die Erinnerung an meinen Tod hat wenig mit der glühenden Botschaft Jesu und der Auferstehung zu tun.
Er hat die Menschen in ihre Kraft gebracht, sie mit ihrem Namen gewürdigt, angesehen und ermutigt. »Steh auf, nimm dein Bett und geh« oder er hat sie gefragt »Was möchtest du, das ich dir tue?«
Ganz innen muss es die Menschen berühren, sie in ihre Kraft zurückbringen.
Mit oder ohne ein Glas Wein, mit oder ohne Schokolade, in neuer Aufmerksamkeit für unser Leben, für mich selber, für meinen Umgang mit Menschen und allem, was mir gegeben ist.
Diese große Heilige Kraft in uns nicht verkommen lassen, sie neu entdecken und immer mehr aus ihr leben lernen, mit Leib und Seele, das wäre eine gute Wegweisung in die Fastenzeit.
»Und zerreißt euer Herz und nicht eure Gewänder, und kehrt zurück zum HERRN, eurem Gott, denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade …«
Joel 2,13
10. Februar 2021
4. März 1961 – 27. Jänner 2021
Es gibt ihn nicht mehr, unter uns.
Das ist schwer zu begreifen.
Nicht vorstellbar.
Ich hab meine Unterlagen hervorgeholt, die Notizen vom ersten Lehrgangstreffen.
Ich lese darin und sehe ihn vor mir. Das, was mir geblieben ist von seinem Lehren,
das war viel mehr als das Wissen über Theologie der Religionen, Komparative Theologie* ... Er ließ uns Erfahrungen machen.
Er öffnete Türen, nahm uns mit in diese Denk- und Glaubenswelten, ließ uns teilhaben an seinem Feuer. Wärmend, erhellend, begeisternd. Seine Hingabe im Tun, seine Freude am Denken, Suchen, Fragen; seine Lust am Diskurs, seine Ernsthaftigkeit und sein Lachen ...
Und wie er das Wort von der »knieenden Theologie«, das er aus dem Alten ins Neue holte, lebte. Er war da, ging mit, hörte zu, gab Antwort, suchte was hilfreich sein könnte, ermutigte, forderte heraus, ließ nicht locker, wo er es für sich und andere als wichtig erachtete.
Sein Interesse an den Menschen, an seinem Gegenüber war groß, liebevoll.
Sein Lehren, das viel mehr war als Studierende begleiten. Er selber nahm Teil, in unseren Seminargesprächen, bei den Abendrunden mit einem Glas Wein, in unserer Klosterwoche Niederaltaich, sogar bei der Abschlussreise nach Sarajewo war er dabei.
Oft erzählte er mit verschmitztem Lächeln von seinen Töchtern und stolz war er auch auf sein bäuerliches Erbe, die Freude an der Hände Arbeit ... Unvergessen seine große Vorfreude auf die Zeit in Harvard – er fehlte uns in diesen Monaten sehr – aber auch diese Erfahrung ließ er danach nicht ungeteilt.
Meine letzte freudige Begegnung mit ihm im vorletzten Frühjahr, völlig überraschend und unerwartet. In der Grabeskirche von Jerusalem feierten die armenischen Christen ihren Ostermorgen. Während ich im Gedränge stehend um mich schaute, sah ich Ulrich eine Armeslänge hinter mir auf einer kleinen Bank sitzend, den innigen Gesängen lauschend.
Es war dies der letzte Tag seiner Lehrzeit in Jerusalem.
Ganz beglückt darüber, dass er auch die armenische Osternacht mitfeiern konnte.
Jerusalem, da, wo so vieles für Ulrich seinen Anfang nahm.
Wohl auch sein langsames, wehes Abschiednehmen.
Wie sehr werden ihn seine Liebsten vermissen und alle, die mit ihm unterwegs waren und
noch so viele Pläne mit ihm hatten. Und der nächtste Uni-Lehrgang »spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess« wird ohne seinen Begründer beginnen müssen.
Ich trauere um ihn, von Herzen dankbar.
*Die Komparative Theologie versteht die Mannigfaltigkeit und den Reichtum der Religionen als Geschenk Gottes und begegnet den anderen Religionen in einer wertschätzenden Haltung. Sie macht es sich zur Aufgabe mit anderen Glaubenstraditionen standpunktbezogene Diskurse zu führen. Damit leistet sie einen kulturellen Beitrag in unserer globalen Welt.
30. Jänner 2021
Nun geht er zu Ende, dieser lange Jänner. Der Monat mit dem Januskopf, dem zwei Gesichter gegeben sind – auf zwei Seiten Ausschau haltend. Friedrich Weinreb hat ihn auf seinem Buch »der ewige Kalender« abgebildet. Bringt das innen und außen der Zeit ins Wort. Gibt zu verstehen, wo diese zwei Seiten unseres Lebens zu finden sind. Das Erscheinende und das Verborgene, das wir zusammenhalten, verbinden und viel zu oft wieder verlieren. Die Begegnung Jesu mit den Fischern im Norden von Galiäa,* ihre Geschichte mit ihm erzählt davon. Simon und Andreas, die beiden Brüder und Jakobus und sein Bruder Johannes, sie lassen alles liegen und folgen diesem seltsamen Aufruf, von nun an Menschen zu fischen. Es bricht eine neue Zeit für sie an, an der Seite dieses Jesus aus Nazareth, eine, die das Himmelreich im Hier und Jetzt erfahren lässt.
Eine so andere Zeit kommt auf sie zu, mitten in ihrem Alltag. Paulus bedient sich dieses Bild des Kairos**.
Weinreb öffnet mir so oft den Zugang zu den Bildern und Geschichten der jüdischen Überlieferung und den Schriften des Neuen Testaments. Er schöpft aus seinem Wissen und der Erfahrung mit dem Schatz der hebräischen Sprache, immer verbunden in und mit der anderen Wirklichkeit.
Das Wasser entspricht in der biblischen Sprache der Zeit. Wie die Fische im Wasser, so sind wir gefangen in der Zeit. Menschenfischer holen die Menschen aus ihren Verstrickungen ins Leben, in die Fülle, in die Zeitlosigkeit des Seins.
Die Fischer sind in den Evangelien bis zum Ende da. Sie haben ihre Netze wieder aufgenommen, ohne Jesus sind sie nach Galiläa zurückgekehrt, in großer Trauer. Und ihre Netze bleiben leer. Erst als er ihnen am Ufer erscheint und sie tun, was er sagt – das Netz auf der anderen Seite des Bootes auswerfen – da füllt sich dieses bis an den Rand.
Die andere Seite in mir, in dir, in uns allen. Diese im Auge behalten. In allem Tagesgeschehen, in aller gestundeten Zeit mit der anderen Seite verbunden bleiben. Mich dieser anvertrauen.
Hab die Erinnerung daran mit den Worten von St. Amphilochios auf die erste Seite meines Notizbuchs geschrieben -
»We must have our gaze fixed on heaven
than nothing will shake us«
St. Amphilochios of Patmos
Damit aus diesem Jänner in das so ungewisse Jahr 2021 gehen.
* Sonntagsevangelium vom 3. SO i. Jahreskreis
**Kairos – siehe Kommentar zum 3. SO i. Jahreskreis von Sepp Franz
26. Jänner 2021
Regen und Föhn haben dem Schneezauber ein wehes Ende bereitet.
Das letzte Weiß im Garten erinnert daran, wie kostbar und vergänglich solche Schönheit.
Ich hätte mir gewünscht, es möge noch lange anhalten, dieses lautlose Niederfallen der zarten Flocken, das behutsame zugedeckt und eingehüllt werden der Wiesen und Bäume, Straßen und Häuser.
Wie damals in den langen Wintertagen bei meinem Ähle. Als es tagelang nicht aufhörte zu schneien, der Blick aus den kleinen Schiebefenstern in der Stube keine Sicht frei gab. Nur dichtes Schneegestöber. Und einzig der schmale Fußweg mit den immer höher wachsenden, weißen Wänden maß uns die Zeit.
15. Jänner 2021
In der winterlich hellen Nacht rahmte mein Fenster den schnee-bedeckten Nussbaum im Garten. Das leise Flocken ließ bis zum Morgen das Weiß über alle Zäune und Dächer wachsen.
Der SCHNEEPSALM von Christine Busta kam mir in den Sinn.
Nun sitze ich über ihre in Leinen gebundenen Gedichtbände, suche, in welchem er zu finden ist. Komm nicht mehr los von diesem innigen Schreiben, das Leben atmet, berührt.
Zuerst fällt mir ihr leises Bild vom SCHNEE IM ADVENT in die Hände.
Leiser wird nichts verkündigt:
so reden Liebende nachts,
die fern voneinander schlafen,
und finden am Morgen die fremde
Erde wieder als Nest
voll von himmlischem Flaum.
Christine Busta, aus: Gedichte – Die Scheune der Vögel, Otto Müller Verlag Salzburg
Im nächsten Band bleibe ich bei ihren SCHNEEFLOCKEN hängen
SCHNEEFLOCKEN –
wieviel Heimkehr
ausgesendeter Wärme ...
Kristalle aus Wasseratem,
Erdatem, Menschenhauch,
frostverdichtet und löslich.
Botschaften,
windhin,
sternher ...
Christine Busta, aus: Gedichte – Und wenn du das Wappen der Liebe malst, Otto Müller Verlag Salzburg
Ob sie heute den Schneepsalm vielleicht mit Stern geschrieben hätte?
Hab ihn gegendert, wollte hören, wie er klingt, wenn aus dem Schöpfer eine Schöpferin spricht.
So lege ich ihn auch überschrieben bei.
SCHNEEPSALM überschrieben ...
Heute nenn ich Dich Schnee,
Du unerschöpfliche Schöpferin
vergänglicher Schneekristalle,
die die nackten Äcker bekleidet,
die Wanderer*in weglos macht
und die ärmlichen Hütten
füllt mit Geborgenheit und Einkehr.
Schwebende Du, die den Bäumen Last wird,
die die tapferen Krähen auswirft
in die Stille und die Tiere
aus den Wäldern den Menschen nah bringt,
die die Hilflosen hilfloser macht
und die Hilfsbereiten bereiter.
Lautlose, die das Vertraute entfremdet,
wird uns Deine Fülle begraben,
werden Flüche das Lob ersticken?
Morgen vielleicht schon wird uns Dein Weiß
blenden und Du beginnst zu tauen.
Herrliche! Dann nenn ich Dich Sonne.
SCHNEEPSALM
Heute nenn ich Dich Schnee,
Du unerschöpflicher Schöpfer
vergänglicher Schneekristalle,
der die nackten Äcker bekleidet,
den Wanderer weglos macht
und die ärmlichen Hütten
füllt mit Geborgenheit und Einkehr.
Schwebender Du, der den Bäumen Last wird,
der die tapferen Krähen auswirft
in die Stille und die Tiere
aus den Wäldern den Menschen nahbringt,
der die Hilflosen hilfloser macht
und die Hilfsbereiten bereiter.
Lautloser, der das Vertraute entfremdet,
wird uns Deine Fülle begraben,
werden Flüche das Lob ersticken?
Morgen vielleicht schon wird uns Dein Weiß
blenden und Du beginnst zu tauen.
Herrlicher! Dann nenn ich Dich Sonne.
Christine Busta, aus: Gedichte – Und wenn du das Wappen der Liebe malst, Otto Müller Verlag Salzburg
12. Jänner 2021
Nun ist der Christbaum abgeräumt, die Sterne in die Schachtel gelegt.
Die zarte Goldrand-Schale von Josephine, mit den hell erleuchteten Häusern von Bethlehem und dem überdachten Stall, zu dem die drei Weisen mit ihren Kamelen kommen, lass ich bis Lichtmess stehen.
Auf dem Tisch noch die Weihnachtsgeschichte, eine glückliche Entdeckung, die ich hier gerne teile. »Der kleine König folgt dem Stern.« Die Namen von Jan de Leeuw und Mattias de Leeuw sind am Bildrand über dem hell erleuchteten Sternenhimmel zu lesen. Aus dem Fenster des hohen Schlossturmes lehnt der kleine König Sevi, der ganz aufgeregt das Geschehen am Himmel betrachtet. »Komm und folge mir, König. Eile, beeile dich.« Mit dem zugeflüsterten Sternenwort saust er durch alle Flure und Treppen bis zum Sterndeuter, der ihm von der bevorstehenden Geburt des Königs, der mächtiger sein soll, als alle Könige zusammen, berichtet. Wer ihn finden will, muss dem Stern folgen. Und so macht sich Sevi aus seinem Land der kleinen Wunder mit seinem Pferdchen, drei Päckchen und einer Tortenschachtel auf den Weg. An der Landesgrenze wird er von einem großen Tross überholt, der von drei Königen angeführt wird, die auch den Ruf des Sterns vernommen hatten. Sie allerdings haben es sehr eilig und ziehen an ihm vorbei.
Bald darauf begegnet ihm eine weinende Frau, später ein Mann, der in großer Sorge um sein Dorf klagt und dann noch ein Geschwisterpaar, das mit seinem Karren vom Tross der drei Könige vom Weg abgedrängt wurde und nicht mehr weiter kann. So hat er am Ende alle wundersamen Geschenke hergegeben, die er dem kleinen König bringen wollte. Es schien ihm aber so richtig, weil der mächtigste König der Welt würde all das wohl nicht nötig und von allem genug haben.
Zu Fuß stapft er hungrig, müde und nass durch den frisch gefallenen Schnee. Der Gesang des Sterns lässt ihn weitergehen. »Beeile dich, denn der große König ist gekommen.« Erschöpft legt er sich an den Straßenrand und schläft seltsam behütet ein.
»Hier war kein König zu finden«, rufen laute, erboste Stimmen. Es sind die drei Könige, die mit ihren Geschenken finster zurückkehren. Der Stern habe sie in die Irre geführt. Ein Stall mit schmutzigem Stroh und armen Leuten ... ein Kind in der Krippe. Was für eine lächerliche Figur sie hier abgaben, mit den Händen voller Gold und Juwelen.
Sevi bleibt im Schnee liegen, bis der Mann mit einer Frau, die auf einem Esel sitzend, verwundert seine kleine leuchtende Krone im Sternenlicht funkeln sieht. Er hebt ihn vom Boden auf und legt ihn unter den großen Schal zu ihrem kleinen Kind, das seine Frau warm in den Armen hält. Aus dem Schlaf erwacht betrachtet Sevi staunend sein Gegenüber, das er nun freudig begrüßt: »Hallo großer König«. Dieser nimmt seinen Daumen und nuckelt glücklich daran.
Wie die leergeschenkten Hände zum Segen werden ...
Bezaubert von den Bildern, dem leichten, humorvollen Erzählen, das so Kostbares ans Herz legt, stelle ich es zu den ganz schönen Büchern dieser Tage.
1. Jänner 2021
Obwohl Weihnachten vorbei ist, das Kind in der Krippe und die Raketen dieser Nacht am Himmel verglimmt sind. Über den ganzen Erdkreis warten wir immer noch:
Auf das Leben, das gemeinsame Singen, auf das Feiern mit wem und wo immer, auf das Händeschütteln und in den Arm nehmen. Mit dem Christuskind in uns, in dir und mir?
Hab die pudrigen Weihrauchkörner aus Patmos in die Feuerschale gelegt. Der warme Geruch des Baumharzes mit den beigemengten Blüten, der einher geht mit dem leisen Schellen der Rauchfässer, die von den Mönchen und Popen geschwenkt, segnend durch die Reihen der Betenden tanzen. Das Holz der Bänke und Türen, die Ikonen,Tücher und
Gewänder, alles atmet diese schwere Süsse.
Gabriella und die vielen anderen Nonnen, die wegen des Lockdowns wieder hinter abgesperrten Klostermauern ohne Inselbewohner*innen und Gäste Weihnachten und Neujahr feiern, werden diese sehr vermissen. Die Stühle neben Gabriellas Platz beim großen Kerzenhalter bleiben leer. Kein Durcheinander von brennenden kleinen Kerzen, die sie mit ihren großen ruhigen Händen ordnet und bald wieder löscht um den Nächsten die eintreten, Platz zu machen. Das freundliche Willkommen in ihren Augen, das allen gilt, die eintreten und die Freude darin beim Wiedersehen, bleibt unvergessen.
Sie werden unter sich sein, die schwarzgewandeten Frauen, die ihre Gebete und Lieder
in die Nacht tragen, die Ikonen küssen und sich tief vor dem Kind und der Panagia, der Gottesmutter, verbeugen. Ihre tiefen Stimmen, mit denen sie die nicht enden wollenden Psalmen singen, stunden in diesen Nächten die Zeit, mischen sich in das Rufen dieser Nacht und die vielen Wünsche. »Kali Xronia«, ein gutes neues Jahr….
Yasmin und Rosenweihrauch, auch für Gabriella, Cherodissa und ihre Schwestern unten im Evangelismos.