Beim Aufwachen dringt ein zartes, leises Rauschen an mein Ohr. Immer noch Regen. Die Tropfen trommeln leise auf das Dachfenster. Fronleichnam kommt mir in den Sinn und die Bilder von damals, als die ehrwürdigen Männer im Dorf den Baldachin trugen. Genäht aus aus rotschimmerndem Brokat mit Bordüren und Goldkordeln an den Ecken, die über vier Holzstangen gespannt, beim Gehen leicht auf und nieder tanzten. Wir hielten kleine Weidenkörbchen mit Rosenblättern an unsere Sonntagskleider gedrückt. Sobald das gemeinsame Beten versickerte und die Reihen der Prozession sich beim nächsten Hausaltar zu einem Halbrund einfanden, durften wir unsere samtenen Blütenblätter auf den Boden streuen, über die dann unser Dorfpriester mit der goldenen Strahlenmonstranz einherschritt. Um die Schultern das glänzende Obergewand, das er mit seinen Händen fasste. So waren sie bedeckt gehalten für die Berührung des Allerheiligsten, das im kleinen, gläsernen Rund des Strahlenkranzes für alle sichtbar zur Anbetung auf die
Hausaltäre gestellt wurde, bevor sich die Prozession betender und singender Kinder, Frauen und Männer weiterbewegte. Häkelspitzen und weißes Leinen, Blumensträuße in großen Vasen und polierte Kerzenhalter, nichts war zu schade für diesen Tag.
Und heute. Ein halbes Jahrhundert später feiern katholische Christinnen und Christen immer noch Fronleichnam. Folkloristisch mit Schützengarde und Vereinen oder ganz zurückgenommen in kleinen Gemeinschaften. Wohl nicht mehr verstehbar für alle, die sich längst ausgeklinkt haben aus dem kirchlichen Feiern.
Ich lausche weiter dem Regen und denke, wenn wir endlich begreifen würden, dass wir selber die Monstranz des Allerheiligsten sind, das Gefäß, in dem Gott Mensch werden will, immer mehr, immer kostbarer ... wie das Brot, das Jesus selber war ... wenn wir einander so behutsam in die Hände nehmen würden, wie das Liebende tun. Wenn wir unsere Tische vor dem Haus decken, mit allem Schönen was wir haben, Rosenblätter streuen für die oder den, der uns besuchen will …
wenn wir endlich verstehen würden, dass der göttliche Geist längst ausgegossen ist in unseren Herzen, wir einander Brot sein können, lebendiges Brot.
Dann könnte das Feiern an Fronleichnam einfach daran erinnern, dass das Heilige in uns Menschen immer mehr Wohnung nehmen will. Es könnte uns erinnern wie wertvoll wir sind und wie schön es ist, miteinander leben zu dürfen. Das Bild der Hostie auf der goldenen Mondsichel ist uns allen geschenkt - ob wir schwarz sind, weiß, arm oder reich.
Elisabeth Schwendinger